Was diesen zweiten Band auszeichnet (und übrigens auch den dritten), ist die Figur Elfriede Greismann.
Elfriede Greismann ist, wie der Name schon sagt, eine etwas betagte Lady, die zwar so manches vergisst, deswegen aber noch lange nicht auf den Mund gefallen ist. Sie ist resolut, hat Spaß und ist eine besondere Freundin von Klausmüller.
In dieser nun von mir vorgestellten Szene hat sie sich einfach mal in das Auto der Polizisten Wamsmann und Neumann gesetzt, um diese bei einer Verfolgungsjagd zu unterstützen.
Ob das nun so erfolgreich ist?
Auf jeden Fall aber heiter bis komisch.
"... Tatsächlich war es nicht so ganz sicher, ob Neumann und Wamsmann die Verfolgung erfolgreich beenden würden. Denn sie hatten ja Oma Greismann dabei. Und mit Oma Greismann auf dem Rücksitz, oder besser gesagt in der Mitte des Rücksitzes, war es nicht so ganz einfach, konzentriert die Verfolgung aufzunehmen. Wamsmann versuchte bereits zum dritten Mal, Oma Greismann auf ihren Platz zu verweisen.
„Frau
Greismann“, sagte er, „bitte setzen Sie sich rechts auf den Platz und schnallen
Sie sich an.“
„Herr
Polizist“, erwiderte Frau Greismann nun ihrerseits zum dritten Mal. Da ihr
jedoch nicht wirklich bewusst war, wie oft sie diesen Satz schon gesagt hatte,
klang sie im Vergleich zu Wamsmann doch wesentlich gelassener. „Da kann ich
nicht ordentlich gucken“, erörterte sie. „Sechs Augen zur Verbrecherjagd sind
besser als vier.“
Wamsmann
wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Neumann
konzentrierte sich aufs Fahren. Jetzt bog er um eine Kurve und sah gerade noch,
wie der rote Audi hundert Meter vor ihm bereits wieder links um eine Kurve
schoss und hinter einer Hauswand verschwand. Neumann drückte aufs Gaspedal. Die
Kurve kam näher, Neumann riss das Lenkrad rum und Neumanns Passat schoss in die
nächste Straße hinein, doch das Tempo war zu hoch für die enge Kurve. Neumann
und Wamsmann rissen die Augen auf. Eine Reihe Mülltonnen säumte ihren Weg,
standen stramm mit geöffneten Mäulern und herausquellendem Müll. Nachdem
Neumanns Passat sie passiert hatte, wälzten sich die Mülltonnen auf der Straße
und hatten mit ihrem Müll die Straße dekoriert.
Neumanns
Passat raste weiter, touchierte einen Laternenpfahl, ließ eine Gruppe Fußgänger
zur Seite springen und kam dann auf dem Bürgersteig schräg vor einer Hauswand
zum Stehen.
Neumann
schlug aufs Lenkrad. „Mist!“, rief er.
Wamsmann
wischte mit seinem Taschentuch über seine Stirn. Oma Greismann klatschte.
„Bravo!“,
rief sie und hüpfte auf ihrem Sitz wie ein kleines, aufgeregtes Kind auf und
ab. Irgendwann tippte sie Neumann behutsam mit ihrem Stock auf die Schulter und
forderte ihn auf, doch ein wenig weiterzufahren. Sie wisse nicht, ob das Parken
auf dem Bürgersteig erlaubt sei und die Herren Polizisten hätten doch wohl
nicht vor, sich ein Knöllchen einzufangen, oder?
Neumann
schielte kurz nach hinten und startete dann den Wagen. Er fuhr jetzt langsamer,
denn sie hatten den Wagen von Zahnstocher-Martin aus den Augen verloren.
Doch
dann passierte es. Oma Greismann sah ihn wieder, trotz ihrer schlechten Augen.
Sie schaute einfach im passenden Moment in die richtige Richtung: links in eine
Nebenstraße. Dort sah sie etwas Rotes von rechts nach links über die Kreuzung
huschen. Und hätte sie nicht ihren Stock dabei gehabt, so hätten auch Wamsmann
und Neumann sich darüber gefreut, dass Oma Greismann die Spur wiedergefunden
hatte. Doch der Stock klebte nun mal fest umklammert in Oma Greismanns Händen
und mit diesem zeigte sie in ihrer aufgeregten Wiedersehensfreude die Richtung
an, in der sie den roten Wagen gerade hatte herumflitzen sehen. Der Stock
vollführte die Bewegung von Oma Greismann mit und traf dabei die rechte Schläfe
von Neumann. Es gab ein dumpfes „Klong“ und Neumann war außer Gefecht gesetzt.
„Oh.“
Frau Greismann starrte auf ihren Stock und dann auf Neumanns Kopf, der sich nun
seitlich auf dessen linke Schulter neigte.
Geistesgegenwärtig
griff Wamsmann mit seinen dicken Pranken ins Lenkrad, riss es herum,
verhinderte so einen Zusammenstoß mit einer Hauswand und brachte den Wagen zehn
Meter später abermals auf dem Bürgersteig zum Stehen.
Oma
Greismann hingegen rutschte erstaunlich flink auf den linken Sitz und keine
drei Sekunden später machte es „Klick“ und sie war vorschriftsmäßig
angeschnallt. Dann schaute sie zum Fenster raus und betonte nochmals, dass sie
nicht glaube, dass das Parken auf Bürgersteigen erlaubt sei.
Wamsmann
schluckte und verhielt sich zunächst ebenso still wie sein Kollege, nur die
Augen, die ließ Wamsmann geöffnet. Vorsichtig tätschelte Wamsmann Neumanns
Gesicht.
„Mensch
Neumann“, sagte er, „sag doch was! Mach die Augen auf.“ Seine Stimme klang eine
Etage höher als gewöhnlich, fast wie bei einem Kleinkind, das kurz davor stand,
in Tränen auszubrechen. Dann drehte Wamsmann sich um und fuhr Frau Greismann
an: „Mann, was haben Sie gemacht?“ Seine Augenbrauen waren nach oben gezogen,
seine Augäpfel traten hervor. Die Schweißperlen suchten sich ungehindert ihren
Weg durch Wamsmanns Gesicht.
Betreten
schaute Oma Greismann zu Boden. Ihren Stock hielt sie wieder in beiden Händen,
als suche sie an ihm Schutz und Halt wie an dem Rockzipfel ihrer Mama, damals als
sie selbst noch ganz klein war. „’tschuldigung“, murmelte sie ganz leise.
Dann
regte Neumann sich. „Oh, mein Kopf.“ Er fuhr mit der rechten Hand an seine
Stirn.
Oma
Greismann griff sogleich in ihre Handtasche und zog ein Päckchen Tabletten
hervor.
„Nehmen
Sie.“ Sie reichte Neumann die Packung nach vorne. „Nehmen Sie die, guter Mann“,
wiederholte Frau Greismann, als Neumann nicht sofort reagierte.
Neumann
atmete noch einmal hörbar aus und griff dann nach der dargereichten Medizin.
Mit einer Hand drückte er eine Tablette heraus, startete den Motor und schmiss
Wamsmann die Packung auf den Schoß. Er steckte die Tablette in den Mund,
schluckte und wendete den Wagen.
„Wo
wollen Sie den Wagen jetzt gesehen haben?“, fragte Neumann und schaute im
Rückspiegel in das besorgte Gesicht von Frau Greismann.
„Welchen
Wagen?“
„Na,
den roten Audi. Das Auto von den Erpressern“, sagte Neumann.
„Die
sind gegen Verstopfung“, mischte Wamsmann sich jetzt ein.
„Die
Erpresser?“
„Nein,
die Tabletten.“
Betretenes
Schweigen.
„Na, dann ist ja gut,
dass ich heute Mittag nicht so viel Apfelmus hatte“, sagte Neumann und wendete
den Wagen ..."