Mittwoch, 25. September 2013

Der Umschlag - oder wie heißt das Ding, das mich umhaut?


Hallo ihr Lieben,

Geschichten erfinden und Geschichten schreiben, das sind die Themen, mit denen sich dieses Blog auseinander setzt. Doch auch für eher visuell Interessierte wird es ein paar Leckerbissen geben: Es befinden sich einige Comic-Strips und Cartoons in der Planungsphase. Und bis die die Endkontrolle passiert haben, werde ich euch ein paar Beiträge zum Thema Komik liefern.

 

Etwas Komisches erheitert und ist lustig und Lustiges ist schön, macht Spaß, ist gesund. Doch warum ist etwas lustig? Darüber haben sich nicht nur bekannte Persönlichkeiten wie SigmundFreud den Kopf zerbrochen, sondern auch ich – zum Beispiel in meinem Werk Die Knopp-Show bei Wilhelm Busch (als eBook und PDF auch beim Grin-Verlag).

Nun müsst ihr nicht das ganze Werk durchackern (wer erzähltheoretisch interessiert ist, darf das natürlich gerne J). Für alle anderen habe ich hier einzelne kleine Häppchen. Das heutige trägt den Namen „Umschlag“. Ich habe es etwas gesüßt und mit einem Sahnehäubchen aufgepeppt, damit es nicht ganz so trocken schmeckt.

Mein zu untersuchender Pudding (um im Bereich des süßen Genießens zu bleiben ;)) ist die Knopp-Trilogie von Wilhelm Busch, die mir besser gefällt als Max und Moritz, denn ihr Humor ist sanfter, heimeliger, mit einer Portion Ironie, die immer wieder auf die Hauptperson klatscht: Tobias Knopp.

Der Umschlag im Zusammenhang mit dem Thema Komik ist weder ein Buch- noch ein Breiumschlag, sondern ein Richtungswechsel innerhalb der Handlung und zwar plötzlich und unerwartet. Wenn ich zum Beispiel die Tür öffne und in mein Schlafzimmer schreite, dann werde ich wahrscheinlich ein paar Überraschungslacher ernten, weil ich in Wirklichkeit die Kellertür erwischt habe und nun die Kellertreppe abwärts sause. Und wenn ich mir nicht zu sehr wehgetan habe, lache ich sogar ein wenig mit. Und das Ganze passiert aufgrund eines plötzlichen Umschwungs. Wir waren alle nicht auf die Kellertreppe vorbereitet. Ihr nicht, weil ich euch erzählt habe, dass ich ins Schlafzimmer gehe und ich nicht, weil ich wirklich dachte, dass ich ins Schlafzimmer gehe.

Was hat Tobias Knopp nun mit dem Umschlag zu tun – außer dass er mit seinen winzigen Füßen und dem Pulverfassbauch so aussieht, als ob er jeden Augenblick in die Waagerechte umschlägt? In der Knopp-Trilogie wimmelt es nur so von Umschlägen, plötzlichen Umbrüchen in der Handlung, das heißt, etwas tritt ein, das nicht erwartet wurde.

Knopp zum Beispiel haut es fast um, als er sich endlich ein Herz fasst und an die Tür seiner in der Jugendzeit erfolglos Angebeteten klopft. Der Umschlag reißt aber nicht nur Knopp von den Füßen, er überrascht uns ebenso, denn wir erfahren im gleichen Moment wie Knopp, dass seine angebetete Schönheit zu einer alten, langnasigen Schachtel verkommen ist. Doch es kommt noch schlimmer: denn anstatt einer Abfuhr, die Knopp in Jugendzeiten stets erfahren hat und die er sich jetzt sicherlich herbeisehnt, ist die angebetete Adele nun ganz begeistert von Knopp und zieht diesen in ihr Gemach, in dem Knopp sich alles andere als wohl fühlt. Gut, dass nun Knopp neben der entzückten, ausgedörrten Adele sitzt und nicht wir, denn so können wir uns an seinem Gefühlsumschlag erfreuen.

Busch, W. S. 157 

Der Umschlag beinhaltet eine plötzliche Wendung, die eine neue Situation schafft. Diese Situation ist zunächst instabil, da sich alle Positionen neu ordnen und finden müssen. Die situative Instabilität ruft als körperliche Reaktion Verblüffung hervor (s. Iser, W.).

Hä, was ist das – denken wir – denkt Knopp. Und dann begreifen wir die gekippte Situation und lösen unsere Verblüffung in Lachen auf – nur Knopp nicht: der muss fliehen, anders kommt der arme Kerl da nicht wieder raus. Denn er ist einfach zu nah dran am Geschehen. Wie gut, dass für uns das Geschehen folgenlos bleibt, so können wir uns erheitern, ohne dass Gefahr für uns droht oder besser gesagt: gerade weil uns keine Gefahr droht, amüsieren wir uns. Und weil die Folgenlosigkeit bzw. die Distanz zum komisch Dargestellten von vielen Theoretikern der Komik als eine absolute Bedingung für die Komik angesehen wird, werden wir uns in einem der kommenden Beiträge mit der Frage beschäftigen, ob dem denn wirklich so ist.    

 

Wie übermitteln nun Texte bzw. Bilder die Plötzlichkeit eines Umschlags?

Dem Bild fällt das relativ leicht, da es simultan erschlossen werden kann. Das bedeutet, dass wir ein Bild / eine Zeichnung relativ zügig ganzheitlich wahrnehmen (auch wenn Details hinterher noch erforscht werden können, und natürlich ist ein Wimmelbild langsamer zu erschließen als ein Bild aus der Knopp-Trilogie). Eine Bilderfolge ist bestens geeignet, um uns einen plötzlichen Situationswechsel zu zeigen.

 


Busch, W. S: 302



Bei einem Text müssen aufgrund seiner Beschaffenheit aus aufeinander folgenden Buchstaben diese nacheinander erschlossen werden. Es ist daher oftmals für die Wirkung des Textes von entscheidender Bedeutung, wann er welches Wort, welchen semantischen Sinn freigibt. Eine zu früh verratene Pointe kann ebenso einen Witz zerstören wie ein zu langes Hinauszögern. Der Text mit seiner sukzessiven Struktur tut sich etwas schwer mit der Bedingung der Plötzlichkeit. Doch schafft auch er es, einen Umschlag zu erzeugen, indem er zum Beispiel semantisch konträre Bereiche zusammenfügt. Ein Beispiel aus der Knopp-Trilogie: „… Rosen, Tanten, Basen Nelken / Sind genötigt zu verwelken;“ (Busch, W., S. 155). Hier kollidiert die Verwandtschaft mit der Botanik und generiert Umschwünge in unserem Vorstellungsvermögen.

In der Knopp-Trilogie arbeiten übrigens Text und Bilder hervorragend zusammen. Mal widerlegt das Bild den Text, mal präzisiert es ihn. Einfach schön J

Das war der erste Teil zum Thema Komik. Wenn ihr gerne noch weiter über Umschläge diskutieren möchtet, Anregungen habt, Lob oder Kritik äußern möchtet, dürft ihr gerne einen Kommentar hinterlassen.

Bis dahin verbleibe ich mit lieben Grüßen aus dem Emsland

Pebby Art   

 

Quellen:

Busch, Wilhelm: Sämtliche Werke II. Was beliebt ist auch erlaubt. Hrsg. Von Rolf Hochhuth. München: Bertelsmann 1982.

Iser, Wolfgang: Das Komische: ein Kipp-Phänomen. In: Das Komische. Hrsg. Von Wolfgang Preisendanz und Rainer Warning. München: Fink 1976. S. 398-402.

 

Sonntag, 15. September 2013

Die Geschichte zu "Auf und weg!"


Dieser Blog beginnt mit einer kleinen Geschichte. Es ist die Geschichte eines vierjährigen Mädchens, das sich zunächst sehr freute …

Heute war Kirmes. Mit seinem Bruder und seiner Mama marschierte das kleine Mädchen los, genoss die dichter werdende Menschenmenge und das kribbelige Gefühl im Bauch, die Musik, die immer mehr von allen Seiten anschwoll, je näher sie dem Kirmesplatz kamen.

Gleich beim ersten Karussell wurde ein Holzpferdchen erobert, und das Mädchen haute eifrig seine Beine gegen das Holz, damit das Pferdchen wusste, dass nun ein rasanter Ritt von ihm erwartet wurde. Natürlich machte sich das Holzgestell wenig daraus und schwang erst langsam auf und ab, als der Karussellbesitzer den Motor anschmiss. Vorher hatte die Mama dem Mädchen noch die Fahrkarte in die Hand gedrückt. Als die erste Runde begann, strahlte das Mädchen übers breite Gesicht und in Gedanken jagte es mit seinem Pferdchen schon die Prärie entlang. In der Hand hielt das Mädchen Pfeil und Bogen – doch nein! Ein Blick auf seine linke Hand zeigte ihm, dass es etwas ganz anderes in den Händen hielt – etwas, was die anderen bereits verloren hatten, wie ein Blick auf die Reitkollegen zeigte. Die Fahrkarte! Das kleine Mädchen hatte die Fahrkarte noch! Der Karussellmann hatte sie ihm nicht abgenommen.

Anstatt sich zu freuen (was es in späteren Jahren bestimmt getan hätte), baute sich in seinem Kopf eine neue Szene auf. Eiserne Gitterstäbe, das vertraute Gesicht der Mama – davor und das kleine Mädchen selbst – dahinter! Denn es tat hier etwas Verbotenes, dessen war es sich sicher. Es fuhr Karussell, ohne diesen Fahrchip abgegeben zu haben! Gleich würden sie kommen, es mitnehmen und einsperren und – was das Schlimmste war: sie würden es seiner Mama berauben! Verschwommen, durch dicke Tränen sah es, wie seine Mama Runde für Runde an ihm vorbeiflog und ihm etwas zuzurufen schien. Schimpfte sie? War ihr Gesicht nicht verzerrt, wütend? Würde sie das Mädchen verstoßen? Wegen eines nicht abgegebenen Fahrchips?

„Kann ich dir helfen, kleines Fräulein?“ Die Stimme kam von links. Der Karussellbesitzer stand da. Wortlos drückte das Mädchen ihm den Fahrchip in die Hand.

Das Karussell hielt an und – dem Himmel sei Dank! – seine Mama schloss es in ihre Arme.

Das Mädchen fuhr jahrelang kein Karussell mehr.

Dies ist die Geschichte eines kleinen Mädchens, das vor etwas Angst hat, über das wir Erwachsene vielleicht sogar lachen würden.

Um wie viel größer sind die Ängste eines Kindes, dessen engste Vertrauenspersonen aus seinem Lebenskreis verschwinden, aus welchen Gründen auch immer.

Diese Gedanken haben mich dazu bewogen, die Geschichte von Emma und Floh zu schreiben. Auf und weg! möchte Kindern Zuversicht vermitteln, dass sie geliebt werden und nicht alleine sind, auch wenn die Beziehung der Eltern vielleicht nicht das gehalten hat, was diese sich erhofft haben.