Hallo ihr Lieben,
Geschichten erfinden und
Geschichten schreiben, das sind die Themen, mit denen sich dieses Blog
auseinander setzt. Doch auch für eher visuell Interessierte wird es ein paar
Leckerbissen geben: Es befinden sich einige Comic-Strips und Cartoons in der
Planungsphase. Und bis die die Endkontrolle passiert haben, werde ich euch ein
paar Beiträge zum Thema Komik liefern.
Etwas Komisches erheitert und ist
lustig und Lustiges ist schön, macht Spaß, ist gesund. Doch warum ist etwas
lustig? Darüber haben sich nicht nur bekannte Persönlichkeiten wie SigmundFreud den Kopf
zerbrochen, sondern auch ich – zum Beispiel in meinem Werk Die Knopp-Show bei Wilhelm Busch (als eBook und PDF auch beim Grin-Verlag).
Nun müsst ihr nicht das ganze
Werk durchackern (wer erzähltheoretisch interessiert ist, darf das natürlich
gerne J).
Für alle anderen habe ich hier einzelne kleine Häppchen. Das heutige trägt den
Namen „Umschlag“. Ich habe es etwas gesüßt und mit einem Sahnehäubchen aufgepeppt,
damit es nicht ganz so trocken schmeckt.
Mein zu untersuchender Pudding
(um im Bereich des süßen Genießens zu bleiben ;)) ist die Knopp-Trilogie von
Wilhelm Busch, die mir besser gefällt als Max und Moritz, denn ihr Humor ist
sanfter, heimeliger, mit einer Portion
Ironie, die immer wieder auf die Hauptperson klatscht: Tobias Knopp.
Der Umschlag im Zusammenhang mit
dem Thema Komik ist weder ein Buch- noch ein Breiumschlag, sondern ein
Richtungswechsel innerhalb der Handlung und zwar plötzlich und unerwartet. Wenn
ich zum Beispiel die Tür öffne und in mein Schlafzimmer schreite, dann werde
ich wahrscheinlich ein paar Überraschungslacher ernten, weil ich in
Wirklichkeit die Kellertür erwischt habe und nun die Kellertreppe abwärts
sause. Und wenn ich mir nicht zu sehr wehgetan habe, lache ich sogar ein wenig
mit. Und das Ganze passiert aufgrund eines plötzlichen Umschwungs. Wir waren
alle nicht auf die Kellertreppe vorbereitet. Ihr nicht, weil ich euch erzählt
habe, dass ich ins Schlafzimmer gehe und ich nicht, weil ich wirklich dachte,
dass ich ins Schlafzimmer gehe.
Was hat Tobias Knopp nun mit dem
Umschlag zu tun – außer dass er mit seinen winzigen Füßen und dem Pulverfassbauch
so aussieht, als ob er jeden Augenblick in die Waagerechte umschlägt? In der
Knopp-Trilogie wimmelt es nur so von Umschlägen, plötzlichen Umbrüchen in der
Handlung, das heißt, etwas tritt ein, das nicht erwartet wurde.
Knopp zum Beispiel haut es fast
um, als er sich endlich ein Herz fasst und an die Tür seiner in der Jugendzeit
erfolglos Angebeteten klopft. Der Umschlag reißt aber nicht nur Knopp von den
Füßen, er überrascht uns ebenso, denn wir erfahren im gleichen Moment wie Knopp,
dass seine angebetete Schönheit zu einer alten, langnasigen Schachtel verkommen
ist. Doch es kommt noch schlimmer: denn anstatt einer Abfuhr, die Knopp in
Jugendzeiten stets erfahren hat und die er sich jetzt sicherlich herbeisehnt,
ist die angebetete Adele nun ganz begeistert von Knopp und zieht diesen in ihr
Gemach, in dem Knopp sich alles andere als wohl fühlt. Gut, dass nun Knopp
neben der entzückten, ausgedörrten Adele sitzt und nicht wir, denn so können
wir uns an seinem Gefühlsumschlag erfreuen.
Hä, was ist das – denken wir –
denkt Knopp. Und dann begreifen wir die gekippte Situation und lösen unsere
Verblüffung in Lachen auf – nur Knopp nicht: der muss fliehen, anders kommt der
arme Kerl da nicht wieder raus. Denn er ist einfach zu nah dran am Geschehen. Wie
gut, dass für uns das Geschehen folgenlos bleibt, so können wir uns erheitern,
ohne dass Gefahr für uns droht oder besser gesagt: gerade weil uns keine Gefahr
droht, amüsieren wir uns. Und weil die Folgenlosigkeit bzw. die Distanz zum
komisch Dargestellten von vielen Theoretikern der Komik als eine absolute Bedingung
für die Komik angesehen wird, werden wir uns in einem der kommenden Beiträge
mit der Frage beschäftigen, ob dem denn wirklich so ist.
Wie übermitteln nun Texte bzw.
Bilder die Plötzlichkeit eines Umschlags?
Dem Bild fällt das relativ
leicht, da es simultan erschlossen werden kann. Das bedeutet, dass wir
ein Bild / eine Zeichnung relativ zügig ganzheitlich wahrnehmen (auch wenn
Details hinterher noch erforscht werden können, und natürlich ist ein
Wimmelbild langsamer zu erschließen als ein Bild aus der Knopp-Trilogie). Eine
Bilderfolge ist bestens geeignet, um uns einen plötzlichen Situationswechsel zu
zeigen.
Busch, W. S: 302
Bei einem Text müssen aufgrund seiner Beschaffenheit aus aufeinander folgenden Buchstaben diese nacheinander erschlossen werden. Es ist daher oftmals für die Wirkung des Textes von entscheidender Bedeutung, wann er welches Wort, welchen semantischen Sinn freigibt. Eine zu früh verratene Pointe kann ebenso einen Witz zerstören wie ein zu langes Hinauszögern. Der Text mit seiner sukzessiven Struktur tut sich etwas schwer mit der Bedingung der Plötzlichkeit. Doch schafft auch er es, einen Umschlag zu erzeugen, indem er zum Beispiel semantisch konträre Bereiche zusammenfügt. Ein Beispiel aus der Knopp-Trilogie: „… Rosen, Tanten, Basen Nelken / Sind genötigt zu verwelken;“ (Busch, W., S. 155). Hier kollidiert die Verwandtschaft mit der Botanik und generiert Umschwünge in unserem Vorstellungsvermögen.
In der Knopp-Trilogie arbeiten
übrigens Text und Bilder hervorragend zusammen. Mal widerlegt das Bild den
Text, mal präzisiert es ihn. Einfach schön J
Das war der erste Teil zum Thema
Komik. Wenn ihr gerne noch weiter über Umschläge diskutieren möchtet,
Anregungen habt, Lob oder Kritik äußern möchtet, dürft ihr gerne einen
Kommentar hinterlassen.
Bis dahin verbleibe ich mit
lieben Grüßen aus dem Emsland
Pebby Art
Quellen:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Werke
II. Was beliebt ist auch erlaubt. Hrsg. Von Rolf Hochhuth. München: Bertelsmann
1982.
Iser, Wolfgang: Das Komische: ein
Kipp-Phänomen. In: Das Komische. Hrsg. Von Wolfgang Preisendanz und Rainer
Warning. München: Fink 1976. S. 398-402.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen