Die Weiterführung des Umschlags
vom letzten Beitrag führt uns heute in die Regentonne. Es geht um
gesellschaftliche Moralvorstellungen und darum, was passiert, wenn wir uns
nicht dran halten.
Wir lachen, um zu strafen – das
zumindest behauptet Friedrich Georg Jünger. Das hört sich nicht gerade
sympathisch an – wo ich doch immer dachte, lachen sei positiv besetzt. Aber
nein, wenn ich genau hinschaue, dann sehe ich die Schadenfrohen da hinten in
der Ecke sitzen und sich eins ins Fäustchen lachen – und wenn sie gemein sind,
sogar in die ganze große Faust.
Denn ganz so Unrecht hat Jünger
nicht. Lachen kann sehr wohl verletzen, dann nämlich, wenn ihr über meine
Dummheit mit der Kellertreppe lacht (Achtung: die Kellertreppenstory war im
letzten Beitrag vom 25. Sept.), bei der ich mich eh schon verletzt habe, und
jetzt straft ihr mich auch noch mit Gelächter. Wofür eigentlich?
Jünger sagt, für die
Normverletzung. Darauf gebe es nun mal eine Replik, also eine Antwort. Nun habe
ich bei der Kellertreppe ja lediglich versehentlich die Norm des richtigen
Weges nicht eingehalten, indem ich das Schlafzimmer gedanklich hinter die
Kellertür gesetzt habe. Ich hoffe, dass euer Lachen daher doch aufgrund des
unerwarteten Umschlages und der instabilen Struktur entstanden ist und nicht,
weil ihr mir den Fall die Kellertreppe hinunter gegönnt habt ;).
In der Knopp-Trilogie jedoch gibt
es einige Beispiele, die sehr schön Jüngers Theorie von Normverletzung und
Replik belegen. Eine meiner Lieblingsszenen ist die mit Herrn Sauerbrot, der
sich gerade unbändig darüber freut, dass seine Frau gestorben ist. Dort heißt
es nämlich: „’Heißa!’ rufet Sauerbrot. / ‚Heißa! Meine Frau ist tot!’“ (S.
200). Dabei tanzt er auch noch federnd auf und ab und klatscht in die Hände. Na,
Herr Sauerbrot – wenn das mal nicht eine eindeutige Normverletzung ist. So
etwas gehört sich nicht ;).
Busch, W., S. 200
Und weil sich so etwas nicht
gehört, lässt die Replik auch nicht lange auf sich warten. Sie erscheint in
Person von Frau Sauerbrot, die wohl nicht so tot war, wie Sauerbrot glaubte.
Dazu fällt Sauerbrot nichts anderes ein, als selbst tot umzufallen. „Starr vor
Schreck wird Sauerbrot, / Und nun ist er selber tot. –“ (S. 204) Das hat er jetzt
davon.
Wobei auch diese Szene mit vom
Umschlag lebt, denn nicht nur Sauerbrot, auch Knopp und wir als Zuschauer und
Leser sind überrascht und verblüfft über das Aufkreuzen von Frau Sauerbrot, die
uns doch als komplett tot angekündigt wurde.
Eine komische Situation kann demnach
dadurch hervorgerufen werden, dass gesellschaftliche Regeln und
Moralvorstellungen zunächst gebrochen und durch eine Erwiderung anschließend
wieder hergestellt werden. Nach dem Motto: „Wer andern eine Grube gräbt, fällt
selbst hinein“, erfreut es uns, wenn alles wieder seine Ordnung gefunden hat.
Wenn mich also jemand in den Pool
schubst, dann hoffe ich doch sehr, dass ihr lacht, wenn mein großer Bruder
auftaucht und den Schubser in eine mit schmutzigem Wasser gefüllte Regentonne
tunkt. Denn damit hat mein Bruder die Norm wieder hergestellt und wir können
alle zufrieden sein – außer vielleicht der Getunkte ;).
Ich wünsche euch allen eine
schöne Zeit und passt auf, dass ihr keine Normen verletzt – ihr wisst ja, das
endet in der Regentonne ;)
Liebe Grüße
Pebby
Busch, Wilhelm: Sämtliche Werke
II. Was beliebt ist auch erlaubt. Hrsg. Von Rolf Hochhuth. München: Bertelsmann
1982.
Jünger, Friedrich Georg: Über das
Komisch. Zürich: Arche 1948.
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