Freitag, 29. November 2013

Von Blamagen auf Schützenfesten und nächtlichen Ruhestörungen. Verlachen oder mitlachen?


Ich lach mich schlapp! Das ist ja schließlich gesund. Doch sind nicht immer alle Beteiligten einer komischen Szene so glücklich taumelnd wie diejenigen, die vor Heiterkeit schon rot anlaufen und deren mit Lachtränen getränktes Mascara mal wieder das Outfit versaut. Wenn es jemanden gibt, der in einer komischen Szene nicht mitlacht, so mag es daran liegen, dass sein Humor ein anderer ist, es mag aber auch sein, dass er ganz einfach das Opfer der Lachattacke ist und ihm darum das Lachen nicht so ganz glücken will.
Genau so ein Opfer setzt uns Wilhelm Busch mit seinem kleinen, rundlichen Knopp vor die Nase. So wird Knopp in dem Kapitel „Ländliches Fest“ (S. 170-176) der Knopp-Trilogie eine für ihn bittere und peinliche Lektion erteilt. Denn Knopp glaubt auf diesem Fest mit einer grandiosen Tanzeinlage zu glänzen. Doch leider ist dem gar nicht so. Nicht seinem Können gebührt die ausgelassene Heiterkeit.
 S. 173
Während Knopp alles gibt, merkt er leider nicht, dass das breite Grinsen der Zuschauer nicht Bewunderung zum Ausdruck bringt, sondern dass sie sich über etwas amüsieren, wovon Knopp keine Ahnung hat. Ein Schweine-Ringelschwanz verleitet die Zuschauer zur Erheiterung, ein Schweine-Ringelschwanz an Knopps Frack, festgebunden ohne Knopps Zustimmung (schließlich weiß er nichts davon) von dem frechen Franz
S. 172
Und der ahnungslose Knopp wiegt sich nun in der Bewunderung, die keine ist und gibt sich elegant mit einem Teil an seinem Hintern, das jede Eleganz ins Gegenteil verkehrt. Und der Erzähler verschärft noch Knopps Lächerlichkeit, indem er mit Ironie und Augenzwinkern sagt: „Doch die höchste Eleganz / Zeiget er im Solotanz.“ (S. 173).
Erst als Knopp dann auch noch die Hose platzt (wieder einmal ist daran der Franz schuld), wird Knopp sich der Peinlichkeit bewusst und ihm bleibt nichts anderes übrig, als erst einmal auf "Die stille Wiese“ (S. 177-181) zu flüchten, um dort die Löcher in der Hose und die Wunden auf seiner Seele zu stopfen. Doch natürlich endet auch das Kapitel ziemlich schlecht für Knopp und so kommt es zu dem stets sich ähnlich wiederholendem Satz am Ende eines jeden Kapitels des ersten Buches: „Schnell verlässt er diesen Ort / Und begibt sich weiter fort.“ (S. 176)
Welche Bedingungen müssen gegeben sein, damit aus dem harten Verlachen ein identifizierendes Mitlachen wird? Zum einen kann es bereits am Thema liegen. Eine Begebenheit, in die wir uns hineinversetzen können, weil sie uns aus unserem täglichen Umgang vertraut ist, die uns selbst vielleicht schon widerfahren ist, verleitet uns viel mehr dazu, uns mit dem Geschehen und deren Protagonisten zu identifizieren als ein festgebundener Schweineschwanz an der Jacke. Das wird uns auf dem nächsten Schützenfest wohl nicht passieren (es sei denn, es findet jetzt Nachahmer;)).
Weiterhin wichtig ist die Haltung, die unser Komik-Opfer selbst einnimmt. Während Knopp beim „Ländlichen Fest“ doch einer ziemlichen Selbstüberschätzung unterliegt (was bildet dieses unförmige Kerlchen sich ein, eine Augenweide der Eleganz zu sein!), die wir gerne abstrafen (siehe hierzu auch Blogeintrag vom 01.10.2013), findet Knopp in einer anderen Szene eher unsere Anteilnahme und unser Lachen wird milder.
Diese andere Szene findet sich im Kapitel „Eine unruhige Nacht“ (S. 277- 281). Dieses Kapitel liefert vielen von uns (mir jedenfalls) Identifikation stiftende Nachvollziehbarkeit, denn es geht um die Schlaf raubenden Nächte frischer Eltern (die danach nicht mehr ganz so frisch sind ;)). Knopp handelt in diesem Kapitel nicht selbst überschätzend lächerlich, sondern fremdbestimmt verzweifelt (durch Julchens Geschrei). Und das löst in uns kein hartes Verlachen aus, sondern ein mitfühlendes Mitlachen. Knopps nächtliche Aktivitäten, um Julchens Schrei-Knopf auf die Off-Position zu drehen, kommen einem irgendwie vertraut vor. Egal, ob nächtliches Getränk oder Toilettengang, „Julchen macht: ‚Rabä, rabä!’“ (Busch, W. S. 279). Und im Vergleich zum „Ländlichen Fest“ setzt Busch dieses Mal seinen Erzähler anders in Szene. Ist er beim Fest noch distanziert und ironisch (s. o.), so ruft er hier mit Figurenperspektive (Knopp) aus: „Lieber Gott, wo mag’s denn fehlen? / Oder sollte sonst was quälen?“ (Busch, W., S. 279). Na, wenn der Ausruf nicht nachvollziehbar ist … 
Ihr seht also: ein nachvollziehbares Thema, eine sympathisch handelnde Figur und ein Erzähler, der auf Figurenebene agiert, der sich nicht – das Geschehen distanzierend – zwischen die Figuren und dem Leser schiebt, kann aus einem harten Verlachen ein mildes Mitlachen machen.
Wenn ihr also jetzt auf die Weihnachtsmärkte stürmt und euch von Bude zu Bude voran arbeitet, seid auf der Hut, wenn euch heitere Aufmerksamkeit zuteil wird!
Ich wünsche euch allen einen schönen Weg durch die Adventszeit!
Liebe Grüße
Eure Pebby
 
Busch, Wilhelm: Sämtliche Werke II. Was beliebt ist auch erlaubt. Hrsg. von Rolf Hochhuth. München: Bertelsmann 1982.

Mittwoch, 13. November 2013

Achtung – die Torte kommt zurück! Slapstick rollt den Schneeball.

Gönne deinem Gegenüber einen Klecks Sahne und triff mitten ins Gesicht. Wetten, dass du eine Antwort erhältst – in Form einer Torte, leider auch mitten ins Gesicht. Dieses Agieren und Reagieren mit steigendem Erfolg bezüglich des angerichteten Chaos’ nennt sich gerne auch Slapstick. (siehe Sachwörterbuch der Literatur (Slapstick-Komödie)). Oft geht es dann in Richtung Klamauk und manch einer kugelt sich gleich den Protagonisten auf dem Boden (vor Lachen), andere finden, dass das Ganze jetzt in Richtung albern abdreht. Die Geschmäcker sind da halt verschieden.

Da Slapstick von schneller Aktion und Reaktion lebt, ist es häufig im visuellen Bereich angesiedelt. Helden hierin sind die „Männer ohne Nerven“ (wer kennt sie noch?) oder auch Stan Laurel und Oliver Hardy in „Dick und Doof“ (die kennt ihr aber noch, oder?). Wenn Stan Oliver auch nur am Hut zupft, weiß man, da folgt noch was. Häufig fangen Aktion und Reaktion mit zeitlicher Dehnung an, sodass wir uns innerlich schon mal vorbereiten können (Spannung). So grinst Stan seinen Kollegen gerne erst einmal an, nachdem er so mutig war (oder so trottelig) und Olli gepiekst hat und bevor Olli ihm eine Antwort (eine körperliche) auf diesen Mut gibt. Und dann können wir uns zurücklehnen und das sich immer weiter ausbreitende Chaos genießen.

Auch die Knopp-Trilogie weist Szenen mit Slapstick-Elementen auf. Und auch hier kommt hauptsächlich das Visuelle zum Tragen. So wird Knopp „[i]m Kapitel ‚Heimkehr’ […] mit Gegenständen konfrontiert, die eine scheinbare Aktivität erlangen, […]. Knopps Handlungsintention, eine Feuerquelle aufzufinden, wird opponiert von Gegenständen, die nun ein ‚aktives Milieu’(Klotz,V., S. 35) bilden. So hält der Küchenschrank seine geöffnete Tür bereit, das Milchgeschirr ergießt den Inhalt über Knopps Füße und schließlich schnappt die Mausefalle zu. Doch Knopp verfolgt unbeirrt sein Ziel.“ (Brüning, P., S. 76)
 
 S. 249
 
Gerade diese Unbeirrbarkeit Knopps zieht uns die Mundwinkel mal wieder in die höheren Lagen des Gesichts. Wahrscheinlich könnte das Haus unter den Füßen weggesprengt werden – Knopp würde weitersuchen. Und diese Absurdität ist es, die uns zum Lachen animiert. Wir verlachen Knopp für die Fehler, die ihm bei seiner Suche widerfahren und freuen uns, dass wir hier schön sitzen und nur Betrachter dieser Szene sind – und wären wir selbst in der Szene gewesen, hätten wir uns natürlich viel geschickter verhalten – denken wir und übersehen dabei schon den nächsten Fettnapf, der für uns bereitsteht.

Slapstickeinheiten arbeiten oft mit dem „Schneeballeffekt“ (Bergson, S. 54-57). Denn wenn ich nur mal kurz an deinen Haaren zupfe und du bei mir daraufhin gleich sämtliche Karate-Tricks anwendest, bin ich schon sehr froh, wenn ich von meiner benachteiligten Position in Bodennähe erkenne, dass just meine Freunde um die Ecke kommen;). Wenn das man kein Schneeball mit Lawinenpotential ist!

Auch Mickefett (dieser Bursche ist uns schon im letzten Post durch Julchens Fenster geklettert) schafft es, bei Familie Knopp den Schneeball ins Rollen zu bringen. Denn nachdem das vermeintliche Julchen sich als deren ältliche Tante entpuppt hat, kommt der Schneeball mit Tantchens Geschrei und Klingelei so richtig in Fahrt – und Familie Knopp ins Zimmer. Das Chaos, das dann angerichtet wird, sieht man hier:

 S. 314
 
Doch hat Mickefett noch Glück und kann sich aus dem sich prügelnden Haufen befreien und unerkannt zum Fenster entkommen – leider mit einer Rose zwischen den Beinen. Tja …

 S. 315
So, liebe Leute, ich wünsche euch viel Spaß beim Ausprobieren des Schneeballeffekts von Slapstickelementen – und schließt vorher eine Krankenhaustagegeldversicherung ab;).
Bis bald
eure Pebby

Bergson, Henri: Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen. Zürich: Die Arche 1972.
Brüning, Petra: Die Knopp-Show bei Wilhelm Busch. Funktionsweisen der Komik in Wilhelm Buschs Knopp-Trilogie. Hamburg: Diplomica 2013.
Busch, Wilhelm: Sämtliche Werke II. Was beliebt ist auch erlaubt. Hrsg. von Rolf Hochhuth. München: Bertelsmann 1982.
Klotz, Volker: Was gibt’s bei Wilhelm Busch zu lachen? In: Die boshafte Heiterkeit des Wilhelm Busch. Hrsg. von Michael Vogt. Bielefeld: Aistesis 1988. S. 11-49.
Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. 8. verb. Auflage. Stuttgart: Kröner 2001.