Die Senioren-Soko: Waldleichenalarm - Leseprobe

 


Dienstag – abends

»Tessa!« Elfriede Greismann schüttelte den Kopf. Jetzt war ihr der Hund doch glatt entwischt. In ihrem Kopf hörte sie bereits die Stimme ihrer Tochter: Hab ich’s dir nicht gesagt?, orakelte diese, Spaziergänge mit haushohen Hunden sind nichts für Senioren.
   »Senioren« sagte Frauke gern, um Oma und ihren Kollegen nicht den Stempel ›alt‹ aufzudrücken. Das hatte sie aber nicht daran gehindert, Elfriede mit Hundeentzug zu drohen, mit Spaziergängen ohne Tessa. Und das nur, weil die Hündin Frauke einmal auf halben Weg zum Heim entgegengekommen war. Brav mit Leine am Halsband, nur leider ohne Oma dran. Die war ihr unterwegs abhandengekommen.
  Die einzige Alternative zu hundelosen Spaziergängen seien intensive Erziehungsmaßnahmen für Hund und Frauchen, so lautete Fraukes Urteil.
   Dabei war Tessa doch Elfriedes Hund.
   Oma Greismann sprach es nie an, doch in ihrem Inneren war da dieses Loch und es wuchs jedes Mal, wenn sie das Gefühl hatte, dass ihr etwas entrissen wurde, etwas an Kompetenzen, an Zutrauen, an Lebensfreude, an Tessa. Auch wenn sie wusste, dass Frauke irgendwie ja auch recht hatte.
  Und um Fraukes Ansicht zu großen Hunden und kleinen Seniorendamen zu untermauern, hatte Elfriedes Hundemop sich jetzt mal wieder auf und davon gemacht. Tessa hatte wohl noch nicht ganz verstanden, dass beim Training Gelerntes auch angewendet werden sollte. So in freier Natur. Im Wald zum Beispiel. Jetzt.
   Elfriede schirmte ihre Augen ab. Kein Hund in Sicht. Hätte sie sie mal nicht von der Leine gelassen. Aber was sollte sie denn machen? Tessa in ihren schwungvollen Mittdreißigern hatte ein viel temperamentvolleres Tempo drauf als Frau Greismann in ihren Mittachtzigern. Und das sollte die Hündin hin und wieder auch feiern dürfen. So ohne Leine und Oma dran. Aber bitte doch mit Ohren, die hörten, wenn man sie rief.
   Und während Tessa so überhaupt nicht hörte, klang dafür jetzt Elfriede die 18-Uhr-Abendglocke der Kirche in den Ohren. Na toll. Nun begann das Abendbrot im Seniorenheim und sie hatte Bruno versprochen, pünktlich zu sein. Er war heute Nachmittag eingeschnappt gewesen, als Elfriede die erste Runde Elfer-Raus verpasst hatte und er allein gegen Brunhilde und Gerda hatte spielen müssen, die ihn gnadenlos abgezockt hatten.
   Elfriede war nun mal nicht die Pünktlichste. Und das wusste Bruno sehr wohl. Er hätte ja man bei ihr vorbeikommen und sie abholen können. Dazu hätte er sich nur einmal den Flur entlangbewegen müssen.
   Hatte er aber nicht.
  Und so kam es, dass Elfriede nach ihrem Mittagsschlaf erst noch anderes erledigte. Denn sie hatte entdeckt, dass Post von Klara auf ihrem Tisch lag und so verlor sie sich während des Lesens ein wenig in Erinnerungen an die Kinder und an den frechen Esel Klausmüller.
   Als sie aus ihrem Gedankenausflug wieder auftauchte, zeigten die Ziffern der Uhr bereits Viertel vor vier. Das brachte Elfriedes Pulsschlag auf Achterbahnfahrt und die Räder ihres Rollators zum Durchdrehen. Mit flinken Schritten tippelte die alte Frau den Flur entlang, doch als sie um die Ecke bog, sah sie ein, dass das nun auch nichts mehr gebracht hatte. Brunos Augenbrauen waren bereits zu einem dicken Strich zusammengewachsen. Da halft auch kein »Tut mir Leid« mehr. Für den Rest des Nachmittags sah Elfriede sein Brummgesicht. Dabei liebte sie doch Brunos Augen, wenn sie sich nicht unter dem Augenbrauenwulst zurückgezogen hatten. Wenn sie ihr mit so einem warmen Glanz zuzwinkerten. Und wenn sein Mund so verschmitzt auseinanderzog, wobei die rechte Seite immer etwas höher rutschte als die linke. Das waren Momente, die sich in ihr Herz betteten.
   Doch heute hatte sie für den Rest des Nachmittags leider in das Brummgesicht schauen müssen. Das Lächeln war ausverkauft gewesen und eine Neulieferung nicht in Sicht. Schade eigentlich.
   Elfriede seufzte. Sie konnte unmöglich ohne Hund ins Heim zurück. Frauke wollte um halb sieben kommen. Bis dahin musste sie Tessa gefunden, den Weg zurück geschafft haben und gut erholt und entspannt aussehen, sonst würde Frauke noch urteilen, dass der Hund sie zu sehr anstrenge.
   Endlich entdeckte sie einen grau-weißen Bobtailkopf zwischen den Zweigen eines Strauches linker Hand.
  »Na, da bist du ja wieder.« Erleichtert stapfte Oma Greismann auf den Hund zu. »Komm her, meine Liebe.« Sie beugte sich ein wenig vor und lockte die Hündin mit ihrer vorgestreckten Hand, die sie so hielt, als verberge sie ein Leckerli darin. Na siehste, geht doch, dachte Oma Greismann, als die Hündin jetzt tatsächlich auf sie zulief.
  »Komm her, brave Tessa.« Elfriede lächelte, doch Tessa blieb einen Meter vor ihr stehen. Dunkle Knopfaugen, fest auf Oma Greismann gerichtet, ließen sich unter dem Fell erahnen. Elfriede arbeitete sich einen weiteren Schritt voran. Und dann noch einen, die Hand immer noch ausgestreckt. Tessa legte ihren Kopf schief, dann machte sie einen Schwenk nach links und das Wuschelfell verschwand im Unterholz.
  »Na warte, du kleine Bestie.« Elfriede stemmte ihre Fäuste in die Hüfte. »Wenn ich dich erwische …« Oma Greismann holte schwungvoll mit ihrem Stock aus, platzierte ihn vor sich und eilte ihrer heute eher suboptimal erzogenen Hündin hinterher. Im Moment konnte sie sie noch nicht einmal mehr sehen. Elfriede blieb stehen und schirmte ihre Augen ab. Wo war sie hin?
  Elfriede Greismann stapfte über den unebenen Waldboden. Ihren Rollator hatte sie am Anfang des Waldes stehengelassen. Den würde hoffentlich niemand stehlen. Seitdem sie im Frühjahr dieses Jahres Bekanntschaft mit einem Taschendieb gemacht hatte, war sie sich da nicht mehr ganz so sicher, um so mehr freute sie sich jedes Mal, wenn sie das Metall in der Sonne blitzen sah, sobald sie aus dem Wald heraustrat. Und sollte dort einmal kein Metall mehr glänzen, gäbe es immerhin einen neuen Fall für ihre Soko.
   Doch jetzt galt es erst mal, den Hund einzufangen. Ohne Soko. Ganz allein.
   Und es schien machbar zu sein, denn plötzlich tauchte Tessa erneut neben ihr auf.
  »Prima, guter Hund.« Elfriede warf ihren Spazierstock zur Seite und wuselte mit ihren krummen Fingern in Tessas Fell herum. »Ja, wo hast du denn jetzt wieder dein Halsband versteckt?« Es war gar nicht so einfach, in dem vielen Hundefell das Leder zu ergreifen. »Und was hast du mir denn da Schönes mitgebracht?« Elfriede Greismann hakte die Leine ein und nahm Tessa den Ast aus der Schnauze. »Das hast du aber fein gemacht.« Sie tätschelte das Fell ihres Hundes so lange, bis sie das Blut entdeckte.
   Es färbte das Weiß des Hundefells an den Stellen, an denen Elfriede es berührte, in ein schmutziges Rot. Elfriede starrte auf ihre Hände, auf den dicken Zweig in ihren Händen. Erschrocken warf sie ihn zu Boden.
  »Tessa.« Oma Greismanns Magen zog sich zusammen. »Wo hast du den denn her?« Ihre Finger zitterten und zeigten auf den rot gefärbten Ast.
   Tessa schnupperte dort, wo Elfriedes Hand hindeutete, hob nach kurzer Zeit ihren Kopf und schaute Oma Greismann mit interessierten Augen an. Das war jetzt irgendwie keine ordentliche Antwort auf ihre Frage, fand Oma Greismann und wandte sich ab, um zum Hauptweg zurückzugehen und das blutige Ding da zu vergessen. Denn sollte sie in die Richtung gehen, aus der Tessa eben auf sie zu gekommen war, würde sie wahrscheinlich gleich auf ein totes Reh oder auf ein anderes gerissenes Wild stoßen und danach stand ihr der Magen im Moment absolut nicht.
   Ein weiterer Gedanke überfiel sie. Das war dann doch wohl nicht Tessa gewesen, die in der kurzen Zeit einem wilden Tier den Garaus gemacht hatte. Oder? 
  Und was war, wenn das Reh noch lebte? Erschrocken hielt Elfriede inne. Sie konnte doch nicht gehen, wenn dort ein verletztes Tier lag. Genau das schienen Tessas Augen auch zu sagen. Ein kurzer Blick reichte, und Oma Greismann drehte wieder um und bahnte sich, Tessas Hinterteil folgend, einen Weg durchs Unterholz.
   Als sie Tessa erreichte, stand sie vor einem Erdloch. Zwischen Laub und Erde hatte Tessa die Sicht freigeschaufelt auf etwas, das so ganz anders aussah als das erwartete Wild. Der seitliche Kopf, ein Teil des Rückens und ein Arm stachen Oma Greismann in die Augen. Die Schläfe des Mannes wirkte eingedrückt wie nach einem Hammerschlag. Elfriede wandte sich ab und würgte.

*

Als die Polizei eintraf, hatte Elfriede sich bereits wieder oben an dem Hauptweg platziert. Wie gut, dass Bruno ihrer Frauke den Tipp gegeben hatte, ihr zum Geburtstag ein Handy zu schenken. Denn, obwohl sie es für überflüssig gehalten hatte, hatte sie eben doch auf das freundliche Gesicht von Herrn Neumann getippt und dem netten Polizisten mitgeteilt, dass er sie doch bitte mal ziemlich zügig im Wald abholen solle, ihre Beine seien zittrig und sie sei nun nicht mehr in der Lage, den Weg nach Hause zu bewältigen.

  »Haben Sie sich verlaufen?«, fragte Neumann.
  »Ihwo.« Elfriedes Hände wuselten nervös in Tessas Fell.
  »Ja, Frau Greismann«, hörte Elfriede Neumanns Stimme an ihrem Ohr. »Ich bin im Dienst. Wir haben hier gerade zu tun. Kann ich Ihnen vielleicht ein Taxi vorbeischicken?«
  »Was soll ich denn mit einem Taxi?«
  »Nach Hause fahren?«
  »Und was mache ich mit der Leiche? Soll die vielleicht auch mitfahren?«
  »Was für eine Leiche?« Neumanns Stimme klang jetzt irgendwie alarmiert.
  »Na, die hier im Wald. Das sagte ich doch.«
  »Frau Greismann, bisher hatten Sie nur erwähnt, dass Sie nach Hause möchten.«
  »Ja, das möchte ich auch. Aber die Leiche muss doch auch weg. In die Gerichtsmedizin.«
  »Wo genau sind Sie?«
  »Na, in unserem Wald, der beim Heim.«
  »Warten Sie dort. Wir sind sofort bei Ihnen. Nicht weggehen.«
  »Tessa ist auch hier«, sagte Elfriede noch. Doch Neumann hatte bereits das Gespräch beendet. Dass Tessa bei ihr war, erfuhr er, als er keine fünf Minuten später neben Frau Greismann hielt und ihm beim Verlassen des Autos eine Hundezunge im Gesicht klebte. Sein Kollege Wamsmann schob sich noch den Rest eines Sandwiches in den Mund und kletterte aus dem Polizeiwagen, als kein Hundegesicht in der Nähe war. Kaum war er ausgestiegen, fuhr der nächste Wagen vor und kurze Zeit später begann die Spurensicherung mit ihrer Arbeit.
   Neumann hielt die Autotür auf und Elfriede durfte auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Tessa bekam die komplette Rückbank angeboten. Nachdem sie ein bisschen erzählt, ein paar Fragen beantwortet und zum x-ten Mal beteuert hatte, dass sie keinen Arzt benötige, lediglich ein Transport zum Altenheim sei angebracht, ließ Neumann endlich den Motor an und fuhr sie heim.
  Als Neumann gesagt hatte, er fahre sie jetzt nach Hause, da hatte sie einen Moment tatsächlich gedacht, er fahre sie zu ihrem Haus am Waldrand. Aber das war ein anderer Waldrand und das war Vergangenheit. Seit etwas über einem Jahr war nun die Sonnenstube im Altenheim ihr Zuhause. Oder sollte sie ›Seniorenheim‹ sagen? Aber Oma nahm es nicht so genau mit ›alt‹ oder ›senior‹.
   Zuhause war sie dort allerdings nicht sofort gewesen. Sie hatte etwas gebraucht, um sich mit der neuen Umgebung anzufreunden. Doch mittlerweile fühlte sie sich geborgen und wohl, was nicht nur an dem netten Pflegepersonal lag. Nein, sie hatte es tatsächlich geschafft, in ihrem Alter noch Freunde zu finden. Ihre Soko. Zwei Fälle hatten sie zusammen gelöst und das hatte sie zusammengeschweißt. Hatte aus der Gurkentruppe, wie Bruno sie zu Beginn genannt hatte, eine Einheit geformt, die zusammenhielt.
Na ja, Elfriede dachte an die Aussetzer wegen der Tässchen-Kaffee-mit-Sahnetorte-Sucht einzelner Mitglieder und korrigierte ihre Einschätzung bezüglich ihres Zusammenhalts auf meistens. Ja, meist gaben sie einander ein Gefühl der Vertrautheit, der Geborgenheit. Und in der letzten Zeit hin und wieder der Langeweile. Erst kürzlich hatte Bruno lamentiert, dass ihnen ein neuer Fall fehlte. Immer nur Mensch-ärgere-dich-nicht spielen. Das halte doch kein Mensch aus. Darum hatten sie jetzt auf Elfer-Raus umgesattelt. Und der Bruno-Brummkopf hatte wohl auch vergessen, dass das Betreuungspersonal doch so einiges auf die Beine stellte, um sie bei Laune zu halten. Und Geburtstage gab es auch genug zu feiern. Wenn die Geburtstagskinder einem nicht kurz vorher wegstarben. So wie bei dem armen Herrn Schöller kürzlich. Gott hab ihn selig.
  Und jetzt war hier schon wieder jemand tot. Im Wegfahren blickte Elfriede noch einmal zum Leichenfundort. Ker. Das sah ja aus wie beim Film. Das Flatterband. Die Leute. Nur die Kameras fehlten. Elfriede seufzte. Gerne würde sie den Dreh einer solchen Filmszene mal miterleben. Das wäre was.
  Das wäre was, was sie sich auf ihre Wunschliste schreiben sollte. In das Büchlein, das Bruno ihr geschenkt hatte. Damit sie es nicht vergaß.
  Ja, aber das hier war leider kein Film. Das war Realität. Nur ganz kurz dachte sie daran, dass dort vielleicht ein neuer Fall für die Senioren-Soko läge. Aber nein. Hier würden sie nicht ermitteln. Dann lieber etwas Langeweile mit der sahnesüchtigen Tortentruppe. Vielleicht ging demnächst ja mal wieder ein Stofftier verloren oder sie könnte eins als verloren melden. Aber das hier – Elfriede erhaschte einen letzten Blick auf die Leute der Spurensicherung – das hier war eine Nummer zu groß.
  Elfriede warf einen Blick auf ihre Uhr. Zwanzig vor sieben. Vor ihrem inneren Auge wuchsen die Augenbrauen von Bruno gerade zu einem dicken Mob zusammen. Zeitweise verdrängt wurden sie nur von Fraukes erhobenem Zeigefinger.
  »Nun drücken Sie mal auf die Tube, junger Mann«, spornte Elfriede Herrn Neumann an, der daraufhin leider kein Stück schneller fuhr.
  Um Viertel vor sieben parkte Neumann seinen Polizeiwagen auf dem Parkplatz vor dem Heim. Der Polizist eilte ums Auto herum, öffnete Oma Greismann die Tür und sie kam recht behände auf ihre zwei Füße zu stehen. Sie setzte den Stock vor sich und sah sowohl Frauke als auch Bruno aus dem Heim sprinten. Beide eilten im Laufschritt auf sie zu, wobei Frauke Bruno einige Längen voraus war.
  »Mama!«, rief ihre Tochter.
  »Oh nein«, sagte Elfriede. »Ich habe meinen Rollator vergessen. Frauke, kannst du den gleich holen?«
  »Hallo Frauke«, grüßte Neumann Elfriedes Tochter und reichte ihr die Hand.
  »Was ist hier los?«, fragte Frauke und auch Bruno, der mittlerweile bei ihnen eingetroffen war, schien so eine Frage auf den Lippen zu brennen. Die Augenbrauen sahen verhältnismäßig gut aus. Nicht zu dick.
  »Tja«, sagte Neumann, »es sieht so aus, als ob unsere gute Frau Greismann einen Toten gefunden hat.«
  »Was?« Frauke und Bruno fiel die Kinnlade eine Etage tiefer.
  »Das sieht nicht nur so aus, Herr Neumann.« Elfriede drehte sich zu Neumann und blickte zu ihm hoch. »Das habe ich. Oder eigentlich war es Tessa, die ihn gefunden hat. Einen Mann. Erschlagen.«
  »Na, Frau Greismann, keine voreiligen Schlüsse«, sagte Neumann.
   Elfriede blickte ihn erstaunt an. »Die Halbglatze sah aber schon sehr nach Mann aus.«
  »Ja, aber erschlagen?«
  »Eindeutiger Hammerschlag«, meinte Elfriede.
  »Ich würde sagen, das muss die Gerichtsmedizin erst mal klären.« Er grinste, doch dann wurde er ernst. »Und Sie starten keine Ermittlungen. Ist das klar?«
  »Natürlich.« Elfriede sagte es aus tiefster Überzeugung und hatte dennoch das Gefühl, dass Neumann ihr nicht traute. »Herr Neumann, das Einzige, was ich will, ist mein Rollator zurück«, sagte sie. »Und eine geöffnete Autotür.« Sie deutete auf das fellige Gesicht, hinter der Autoscheibe, dem jetzt ein »Wuff« entrann.
   Nachdem sie Tessa aus dem Auto befreit hatten, machte Frauke sich auf den Weg, um den Rollator zu holen. Bruno hakte sich bei Elfriede ein und geleitete sie ins Heim. Er war überhaupt nicht motzig. Er fragte, ob alles okay sei, ob sie noch etwas benötige. Dass sie keinen Arzt brauche, musste sie bestimmt fünf Mal versichern.
   Als sie beim Abendessen Brunos besorgten Blick auf sich spürte, wünschte sie sich fast seine dicken, zusammengezogenen Augenbrauen zurück. Und wahrscheinlich wollte er sie nicht mit Erinnerungen quälen, denn er fragte sie überhaupt nicht nach den Einzelheiten. Das war sehr ungewöhnlich für Bruno, den doch normalerweise jeder kriminalistische Fall interessierte. Elfriede war schon ein bisschen pikiert ob des augenscheinlichen Desinteresses.
   Doch dann rollte Brunhilde heran.
  »Mensch, Elfriede«, rief sie, »du hast’ne Leiche gefunden? Erzähl!«
   Und so begann Oma Greismann zu erzählen. Es sprudelte nur so aus ihr heraus. War doch gut, dass Brunhilde so neugierig war.
   Sie war noch mitten im Erzählfluss, als ihr Rollator plötzlich neben ihr auftauchte.
  »Ihr ermittelt nicht«, hörte Elfriede Fraukes Stimme.
  »Nein«, rief Eflriede. »Auf gar keinen Fall.« Und als sie das Gesicht ihrer Tochter sah, fügte sie noch ein »Ehrenwort!« hinterher.
   Sie konnte ja nicht ahnen, was sie ein paar Tage später über den Toten erfahren würde.

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