Montag, 24. Oktober 2016

Lieblingspassagen aus "Klausmüller - Ein Esel auf Verbrecherjagd"

Meine Lieblingsbuchseiten aus "Klausmüller - Ein Esel sucht ein Pferd" kennt ihr ja bereits. Nun soll es nicht im Verborgenen bleiben, welche Szenen aus "Klausmüller - Ein Esel auf Verbrecherjagd" ich besonders liebe.

Was diesen zweiten Band auszeichnet (und übrigens auch den dritten), ist die Figur Elfriede Greismann.
Elfriede Greismann ist, wie der Name schon sagt, eine etwas betagte Lady, die zwar so manches vergisst, deswegen aber noch lange nicht auf den Mund gefallen ist. Sie ist resolut, hat Spaß und ist eine besondere Freundin von Klausmüller.
In dieser nun von mir vorgestellten Szene hat sie sich einfach mal in das Auto der Polizisten Wamsmann und Neumann gesetzt, um diese bei einer Verfolgungsjagd zu unterstützen.
Ob das nun so erfolgreich ist?
Auf jeden Fall aber heiter bis komisch.

"... Tatsächlich war es nicht so ganz sicher, ob Neumann und Wamsmann die Verfolgung erfolgreich beenden würden. Denn sie hatten ja Oma Greismann dabei. Und mit Oma Greismann auf dem Rücksitz, oder besser gesagt in der Mitte des Rücksitzes, war es nicht so ganz einfach, konzentriert die Verfolgung aufzunehmen. Wamsmann versuchte bereits zum dritten Mal, Oma Greismann auf ihren Platz zu verweisen.
„Frau Greismann“, sagte er, „bitte setzen Sie sich rechts auf den Platz und schnallen Sie sich an.“
„Herr Polizist“, erwiderte Frau Greismann nun ihrerseits zum dritten Mal. Da ihr jedoch nicht wirklich bewusst war, wie oft sie diesen Satz schon gesagt hatte, klang sie im Vergleich zu Wamsmann doch wesentlich gelassener. „Da kann ich nicht ordentlich gucken“, erörterte sie. „Sechs Augen zur Verbrecherjagd sind besser als vier.“
Wamsmann wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Neumann konzentrierte sich aufs Fahren. Jetzt bog er um eine Kurve und sah gerade noch, wie der rote Audi hundert Meter vor ihm bereits wieder links um eine Kurve schoss und hinter einer Hauswand verschwand. Neumann drückte aufs Gaspedal. Die Kurve kam näher, Neumann riss das Lenkrad rum und Neumanns Passat schoss in die nächste Straße hinein, doch das Tempo war zu hoch für die enge Kurve. Neumann und Wamsmann rissen die Augen auf. Eine Reihe Mülltonnen säumte ihren Weg, standen stramm mit geöffneten Mäulern und herausquellendem Müll. Nachdem Neumanns Passat sie passiert hatte, wälzten sich die Mülltonnen auf der Straße und hatten mit ihrem Müll die Straße dekoriert.
Neumanns Passat raste weiter, touchierte einen Laternenpfahl, ließ eine Gruppe Fußgänger zur Seite springen und kam dann auf dem Bürgersteig schräg vor einer Hauswand zum Stehen.
Neumann schlug aufs Lenkrad. „Mist!“, rief er.
Wamsmann wischte mit seinem Taschentuch über seine Stirn. Oma Greismann klatschte.
„Bravo!“, rief sie und hüpfte auf ihrem Sitz wie ein kleines, aufgeregtes Kind auf und ab. Irgendwann tippte sie Neumann behutsam mit ihrem Stock auf die Schulter und forderte ihn auf, doch ein wenig weiterzufahren. Sie wisse nicht, ob das Parken auf dem Bürgersteig erlaubt sei und die Herren Polizisten hätten doch wohl nicht vor, sich ein Knöllchen einzufangen, oder?
Neumann schielte kurz nach hinten und startete dann den Wagen. Er fuhr jetzt langsamer, denn sie hatten den Wagen von Zahnstocher-Martin aus den Augen verloren.
Doch dann passierte es. Oma Greismann sah ihn wieder, trotz ihrer schlechten Augen. Sie schaute einfach im passenden Moment in die richtige Richtung: links in eine Nebenstraße. Dort sah sie etwas Rotes von rechts nach links über die Kreuzung huschen. Und hätte sie nicht ihren Stock dabei gehabt, so hätten auch Wamsmann und Neumann sich darüber gefreut, dass Oma Greismann die Spur wiedergefunden hatte. Doch der Stock klebte nun mal fest umklammert in Oma Greismanns Händen und mit diesem zeigte sie in ihrer aufgeregten Wiedersehensfreude die Richtung an, in der sie den roten Wagen gerade hatte herumflitzen sehen. Der Stock vollführte die Bewegung von Oma Greismann mit und traf dabei die rechte Schläfe von Neumann. Es gab ein dumpfes „Klong“ und Neumann war außer Gefecht gesetzt.
„Oh.“ Frau Greismann starrte auf ihren Stock und dann auf Neumanns Kopf, der sich nun seitlich auf dessen linke Schulter neigte.
Geistesgegenwärtig griff Wamsmann mit seinen dicken Pranken ins Lenkrad, riss es herum, verhinderte so einen Zusammenstoß mit einer Hauswand und brachte den Wagen zehn Meter später abermals auf dem Bürgersteig zum Stehen.
Oma Greismann hingegen rutschte erstaunlich flink auf den linken Sitz und keine drei Sekunden später machte es „Klick“ und sie war vorschriftsmäßig angeschnallt. Dann schaute sie zum Fenster raus und betonte nochmals, dass sie nicht glaube, dass das Parken auf Bürgersteigen erlaubt sei.
Wamsmann schluckte und verhielt sich zunächst ebenso still wie sein Kollege, nur die Augen, die ließ Wamsmann geöffnet. Vorsichtig tätschelte Wamsmann Neumanns Gesicht.
„Mensch Neumann“, sagte er, „sag doch was! Mach die Augen auf.“ Seine Stimme klang eine Etage höher als gewöhnlich, fast wie bei einem Kleinkind, das kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Dann drehte Wamsmann sich um und fuhr Frau Greismann an: „Mann, was haben Sie gemacht?“ Seine Augenbrauen waren nach oben gezogen, seine Augäpfel traten hervor. Die Schweißperlen suchten sich ungehindert ihren Weg durch Wamsmanns Gesicht.
Betreten schaute Oma Greismann zu Boden. Ihren Stock hielt sie wieder in beiden Händen, als suche sie an ihm Schutz und Halt wie an dem Rockzipfel ihrer Mama, damals als sie selbst noch ganz klein war. „’tschuldigung“, murmelte sie ganz leise.
Dann regte Neumann sich. „Oh, mein Kopf.“ Er fuhr mit der rechten Hand an seine Stirn.
Oma Greismann griff sogleich in ihre Handtasche und zog ein Päckchen Tabletten hervor.
„Nehmen Sie.“ Sie reichte Neumann die Packung nach vorne. „Nehmen Sie die, guter Mann“, wiederholte Frau Greismann, als Neumann nicht sofort reagierte.
Neumann atmete noch einmal hörbar aus und griff dann nach der dargereichten Medizin. Mit einer Hand drückte er eine Tablette heraus, startete den Motor und schmiss Wamsmann die Packung auf den Schoß. Er steckte die Tablette in den Mund, schluckte und wendete den Wagen.
„Wo wollen Sie den Wagen jetzt gesehen haben?“, fragte Neumann und schaute im Rückspiegel in das besorgte Gesicht von Frau Greismann.
„Welchen Wagen?“
„Na, den roten Audi. Das Auto von den Erpressern“, sagte Neumann.
„Die sind gegen Verstopfung“, mischte Wamsmann sich jetzt ein.
„Die Erpresser?“
„Nein, die Tabletten.“
Betretenes Schweigen.
„Na, dann ist ja gut, dass ich heute Mittag nicht so viel Apfelmus hatte“, sagte Neumann und wendete den Wagen ..."


 

Samstag, 15. Oktober 2016

Lieblingsszenen aus "Klausmüller der Erste"

Heute möchte ich euch eine kleine Szene aus "Klausmüller - Ein Esel sucht ein Pferd" präsentieren. Es ist die Schlüsselszene, die die Abenteuer mit Klausmüller erst ermöglicht, denn es ist der Moment, in dem Klausmüller durch eine Ritterrüstung rutscht und danach plötzlich sein lebloses stofftierisches Leben an den Nagel hängt, um von nun an lebendig und eigensinnig das Kommando zu übernehmen.
Garniert wird die Szene von einer meiner Lieblingszeichnungen, und zwar dieser hier:



Klausmüller, der Stoffesel meiner Protagonistin Klara, steckt also als attraktives Eselsgesicht in einer Ritterrüstung fest. Klara hat ihn dort scherzeshalber reingesteckt, nachdem sie die Figur in den Weiten des großen Hauses ihrer Tante entdeckt hat. Leider hat sie ihren Esel kurz darauf bereits vergessen, denn sie erblickt einen fremden Mann, der sich später als ein Freund ihrer Tante entpuppt, und den sie in dem Moment zu Fall bringt, in dem ihre Eltern und ihre Tante samt verwöhntem Schoßhund namens Precious dort auftauchen.

Hier nun setzt eine meiner kleinen Lieblingsszenen ein, in die ich euch eintauchen lassen möchte:

... Dann halfen Mama und Papa Tante Agnes dabei, Egon wieder auf die Füße zu stellen. Das erwies sich aufgrund der Länge von Egons Füßen und Beinen als gar nicht so einfach und benötigte ihre volle Konzentration. Was Klara zu ihrer Verteidigung zu sagen hatte, interessierte irgendwie keinen mehr.
Blöde Erwachsene, dachte Klara und wollte sich gerade davonschleichen, als sie bemerkte, dass jemand fehlte: Klausmüller.
Wo war er geblieben? Ratlos schaute Klara sich um. Da bemerkte sie Precious, der die eiserne Rüstung anknurrte.
Oh Schreck! Klausmüller saß ja noch im Ritter fest. Klara stockte der Atem, als sie das Visier der Rüstung erblickte. Wo war des Ritters Eselsgesicht? Klara sprang nach vorne und Precious zur Seite. Wo war Klausmüller? War er etwa abgerutscht und hockte nun im Fuß des Ritters? Da bemerkte Klara, dass dem Ritter eine samtweiche Eselschnute durch das Visier quoll.
Oh je! Armer Klausmüller. Schnell eilte Klara Klausmüller zu Hilfe und klappte das Visier hoch. Die Schnauze verschwand und den Ritter durchfuhr ein Poltern von oben nach unten. Starr vor Schreck blieb Klara stehen. Wie konnte sie nur so doof sein, das Visier hochzuklappen, ohne dabei Klausmüllers Maul festzuhalten! Jetzt lag Klausmüller im Fuß des Ritters. Wie sollte sie ihn da jemals wieder rauskriegen? Klara drehte sich zu den Erwachsenen. Mama und Tante Agnes bürsteten mit ihren Händen Egons Hose und Hemd ab. Dabei redeten sie unaufhaltsam. Und Papa stand vor Egon und entschuldigte sich ohne Ende.
„Klausmüller ist im Ritter!“ Klara deutete auf den Ritter. 
Die Gespräche verstummten.
„Wir müssen ihn da rausholen!“ Klara klappte das Visier wieder hoch.
„Klara!“ Das war Papa. Gesprächstechnisch hatte er heute nicht so viel auf Lager. Mama hingegen zeigte Verständnis für Klara und meinte, dass der Stoffesel doch irgendwie zu retten sein müsse. Schließlich gehöre der Ritter aufs Reittier und nicht das Tier in den Ritter. Dem stimmten die anderen zu. Und so griff Egon mit seinen langen Armen durch die rüstungsfreie Stelle am Ritterpo. Doch griffen seine Hände stets ins Leere. Klausmüller blieb verschollen. Und Tante Agnes wurde ungeduldig. Sie wollte endlich die Torte essen, die auf der Terrasse schon auf sie wartete. So wurde beschlossen, dass Egon sich später um die Rettung des Esels kümmern sollte.
Oh Mann! Klara konnte doch nicht den armen Klausmüller in der finsteren Rüstung zurücklassen! Klara blieb stehen. Doch dann traf sie der Blick von Mama. Da folgte sie, aber ziemlich langsam –, und als keiner sie mehr beachtete, kehrte sie um und eilte zu Klausmüller zurück. Hoffentlich würde ihr Fehlen nicht zu schnell bemerkt werden.
Klara überlegte: Sollte sie dem Ritter den Fuß abnehmen oder so wie Egon versuchen, über den Po des Ritters ins Innere zu gelangen? Vorsichtig schob sie ihre Hand am Ende des Ritterrückens ins Innere. Stück für Stück drückte sie sich weiter vor. Sie quetschte gerade ihre Achselhöhle an der Ritterhose und fuchtelte mit gestreckten Fingern im Inneren herum, als es im Ritterfuß zu poltern begann. Klara riss ihre Hand wieder raus und wich einen Schritt zurück. Der Ritter wackelte hin und her. Mit angehaltenem Atem starrte Klara auf den Ritter. Gab es Mäuse in Ritterrüstungen? Oder was war das gerade? Klaras Blick fixierte noch immer den Fuß des Ritters, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung oberhalb ihres Kopfes wahrnahm. Sie hob ihren Blick und starrte auf das Visier, das sich kaum wahrnehmbar zu bewegen schien. Mit angespannten Muskeln machte Klara einen Schritt nach vorne, bereit, jederzeit zur Seite zu springen und abzuhauen. Ihre Finger näherten sich dem Visier, das sich tatsächlich immer wieder millimeterweit auf und ab bewegte. Sie sah, wie ihre Finger zitterten, als sie das kalte Metall des Visiers berührte. Vorsichtig hob sie es an.
„Ha!“, machte es von innen.
Klara sprang zurück und das Visier schnappte wieder zu. Dann ein Schrei und ein Poltern – erst oben, dann beim Po und dann unten im Fußraum. Klaras Augen folgten dem Gepolter. Jetzt war es still. Jetzt leichtes Scharren.
Und dann: „Mist!“
Das kam aus dem Fuß. Dort scharrte es jetzt auch wieder. Klara wich noch einen Schritt zurück. Vorsichtshalber.
„Klausmüller?“ Klaras Stimme zitterte. Sie hockte sich vor den Fuß.
„Wer denn sonst?“, antwortete der Fuß.
Darauf wusste Klara nichts zu sagen. Seit wann konnte Klausmüller sprechen? Und irgendwie schien er sich ja auch zu bewegen. Das gab es doch gar nicht. Klara schaute sich um. Die Kerzen flackerten immer noch gespenstisch. Das hier konnte nicht echt sein. Das war ein Traum. Oder?
Während Klara noch vor dem Fuß des Ritters kniete und ihn anstarrte, rappelte der Ritter ein paar Mal und ließ dann auf Höhe des Gesäßes verlauten, dass man Hilfe benötige.
Klara schaute hoch und entdeckte Klausmüllers Kopf da, wo der Oberschenkel des Ritters endete und der Rücken noch nicht begann.
„Klausmüller?“
„Klara?“, äffte die Stimme des Gesäßes Klara nach. Und die Stimme schien tatsächlich Klaras kleinem Esel zu gehören. Dieser erklärte nun, dass er wenig Lust habe auf dieses Namensfragespiel, und dass Klara ihm doch gefälligst einmal hinaushelfen solle. Schließlich sei es ja auch ihre Schuld, dass er hineingefallen war.
Schnell zog Klara Klausmüller aus dem Po des Ritters hervor. Doch hielt sie ihn mit einer Armlänge auf Abstand. Irgendwie war es unheimlich, wenn das eigene Stofftier mit einem Mal anfing, ein Eigenleben zu führen.
Plötzlich tauchte Papa auf.
„Spiel Stofftier!“, flüsterte Klara.
„Ich bin Stofftier!“
„Nicht sprechen, nicht bewegen!“
„Klara!“ Das war Papa. „Wo bleibst du denn?“
„Ich komme schon. Ich habe Klausmüller!“, rief Klara und wedelte mit Klausmüller am ausgestreckten Arm herum
„Lass das! Sonst kotz‘ ich.“
Ups! Erschrocken zog Klara ihren Arm zurück. Papa hatte Klausmüller zum Glück nicht gehört. Er fand es toll, dass Klausmüller wieder da war und vor allem, dass die Ritterrüstung noch stand.
Und so blieb es ein Geheimnis, dass Klausmüller nun lebendig war. Mama und Papa hätten das eh nicht verstanden und Tante Agnes und dieser Egon noch viel weniger ... 

Den kleinen Esel und seine Geschichte in voller Länge genießen könnt ihr sowohl auf dem Kindle als auch in papierener Form. 



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Freitag, 14. Oktober 2016

Die Prophezeiung - Teil 2 schreitet voran

Im Mai kam das Buch "Die Prophezeiung. Das Inferno von Little Germany, New York" auf den Markt. Gegenstand der Geschichte ist das historische Unglück des Ausflugraddampfers "General Slocum" auf dem East River mit 1021 Toten.



Die Story, die als Zeitreisethriller angelegt ist, setzt vierzehn Tage vor dem Unglück ein, indem eine junge Frau namens Lillie in Little Germany (oder "Kleindeutschland", wie viele Deutsche ihr Viertel liebevoll nannten) auftaucht und der vierzehnjährigen Greta von dem kommenden Unglück erzählt. Ihnen bleiben vierzehn Tage, um dieses Inferno zu verhindern.

Dieser erste Teil der "Prophezeiung" spielt einzig im Jahr 1904 in New York. Die Zeitreisende Lillie wird fast ausschließlich per Außensicht gezeigt, um sie ein wenig geheimnisvoll wirken zu lassen.

Hier eine typische New Yorker Hausfassade mit Feuerleitern
Doch nun arbeite ich an einem zweiten Band, einem Nebenband zur "Prophezeiung", der keine zeitliche Fortsetzung des ersten Teils ist, sondern der die Zeitreisende Lillie bei ihren Reisen zwischen Deutschland (1984) und Little Germany (1904) begleitet. Dieser Band nimmt den Leser mit in das Jahr 1984, in die Zeit, als gelbe Telefonhäuschen noch das Straßenbild prägten, als Jugendliche den Straßenverkehr nicht aufgrund von Smartphones unbeachtet ließen, sondern aufgrund von Zauberwürfeln (Rubik's Cube), als man Telefongespräche noch nicht ohne mithörende Familienmitglieder tätigen konnte, weil der Apparat noch fest mit der Telefonbuchse an der Wand verbunden war.

In diese Zeit nun entführt "Die Prophezeiung", Teil 2 und ich denke, die Leser dürfen erstaunt sein, mit welchen Schwierigkeiten Lillie im Jahr 1984 zu kämpfen hat, damit sie die Zeitreisen ins Jahr 1904 antreten kann. Da tauchen Gefahren und Hindernisse auf, auf die man als Leser von "Die Prophezeiung", Teil 1 nie gekommen wäre.

Ein Teil der Story spielt natürlich auch im Jahr 1904 in New York, sodass sich diejenigen, die den ersten Teil bereits gelesen haben, auf ein Wiedersehen mit der jungen Greta und dem heldenhaften Retter Bert freuen können. Zugleich dürfen sie aber auch gespannt sein auf die vierundneunzigjährige Greta. Sie ist zwar nicht mehr ganz so flink auf den Beinen wie 1904, doch weiß sie sich immer noch ganz gut durchzusetzen.
Ich verspreche: Es wird auf jeden Fall wieder spannend.

Eine von mir gefertigte Skizze der brennenden General Slocum

So, und jetzt möchte ich schon einmal mitteilen, dass ich in der letzten Zeit sehr fleißig war. Nicht nur, dass die Story in ihrer ersten Fassung bereits fertig ist, sie ist sogar bereits einmal von mir Korrekturgelesen. Gerade jetzt gehe ich sie ein zweites Mal durch und ich bin zuversichtlich, dass sie in einigen Wochen auf dem Markt sein wird.

Liebe Grüße
Jamie

Montag, 3. Oktober 2016

Das Schiffsunglück der 'General Slocum' im Jahr 1904

Mittwoch, 15.06.1904

Der blaue Himmel strahlt über New York und dem East River, an dessen Ausflugspier an der East Third Street sich bereits in den frühen Morgenstunden Hunderte von Menschen versammelt haben. Die Stimmung ist gut, aufgeregtes Geschnatter und tobende Kinder zwischen Picknickkörben geben ein für einen Mittwochvormittag ungewohntes Bild ab. Alle warten darauf, auf den Ausflugsdampfer 'General Slocum' gelassen zu werden. Um 8.30 Uhr ist es so weit: Hunderte Frauen und Kinder und einige Männer betreten die Gangway, wo sie an Bord des Schiffes von Pastor Haas und seinem Kollegen George Schultze aus Pennsylvania einzeln begrüßt werden.

Um 9.45 Uhr, mit dem Einfahren der Gangway und dem Ablegen des Schiffes, startet der siebzehnte Jahresabschluss-Ausflug der Sonntagsschule der Kirchengemeinde St. Marks aus Little Germany, New York. Über eintausenddreihundert Menschen befinden sich an Bord des drei Decks umfassenden Raddampfers. Die meisten von ihnen sind Frauen und Kinder. In ihre Sonntagsgarderobe gehüllt, winken sie den am Ufer stehenden Ehemännern und Vätern zu, die es sich nicht leisten können, einen Tag Urlaub zu nehmen.

Der majestätische Raddampfer soll die Ausflügler nach Locust Grove am Long Island Sound bringen, wo ein strahlender Sonnentag mit Picknick, Spiel und Tanz auf dem Programm steht. Für die musikalische Unterhaltung bereits während der Fahrt dorthin sorgt die deutsche Musikkapelle um George Maurer.

Die Route führt an der gerade wachsenden, unverwechselbar für New York stehenden Scyline aus Wolkenkratzern vorbei. Auf der Höhe von Queens, bei den Wards Islands, wartet noch eine schwierige Passage auf das Schiff. Es geht durch die als 'Hell Gate" bezeichnete Passage des East Rivers mit zahlreichen Untiefen und Strömungen. Doch Kapitän Van Schaick ist ein erfahrener Mann, der bisher kaum Unfälle und noch keinen einzigen toten Passagier zu beklagen hat.
Das sollte sich mit dem heutigen Tag ändern.

Hell Gate war fast passiert, als im Lampenraum unter Deck des Schiffes ein Feuer ausbricht. Ein kleiner Junge ist der erste, der es bemerkt. Er rennt hoch zum Ruderhaus, wo Kapitän Van Schaick zusammen mit den Steuermännern Van Wart und Weaver das Schiff konzentriert durch die letzten Untiefen und Querströmungen manövrieren. Fatalerweise glaubt Van Schaick an einen Scherz des Jungen und weist ihn brüsk ab. Scherze dieser Art sind sehr gefürchtet, kann doch alleine der Ausruf "Feuer" zu einer nicht mehr zu kontrollierenden Panik führen. Und das bei über eintausenddreihundert Menschen an Bord ...
Doch es handelt sich um keinen Scherz. Während Van Schaick sich weiter auf die Durchfahrt von Hell Gate konzentriert, stellt der Matrose John Coakley sein Bier, das er soeben an der Bar des Salons genießt, zur Seite und folgt dem Jungen, der ihm die Nachricht überbringt, von der auch er hofft, dass sie ein dummer-Jungen-Streich ist.

Coakley entdeckt, dass der Junge die Wahrheit gesagte hat. Er startet mit Löschversuchen mit Hilfe eines Segeltuches. Dies ist jedoch am Boden festgemacht. Er findet einen Sack Holzkohle und wirft ihn über die Feuerstelle.
Für einen Moment ersticken die Flammen. Coakley geht raus und sucht den Ersten Offizier Flanagan. Fatalerweise lässt er die Tür offen, sodass frischer Sauerstoff an das Feuer gelangen kann,
Sicher wäre es gut gewesen, die Mannschaft wäre für Katastrophenfälle ausgebildet worden. Doch diese Mannschaft hatte nicht die leiseste Ahnung davon, was zu tun ist. Das einzige, was sie schaffen, ist, sich selbst zu retten. Bezeichnenderweise ist lediglich ein Mannschaftsmitglied gestorben - mit dem Hartgeld der Tageseinnahmen in den Taschen.

Erste zaghafte Versuche der Mannschaft, den Brand zu löschen, gehen schief, da die Löschschläuche marode und brüchig sind. Das Wasser kommt nicht vorne an, es sickert durch zahlreiche Löcher bereits vorher an Deck. Die Mannschaft gibt schnell auf.
Auch bei den Rettungsbooten ist man erfolglos. Da die General Slocum jedes Jahr einmal gestrichen wird, um einen schicken und soliden Eindruck zu machen, man dabei aber darauf verzichtet, die Rettungsboote vorher abzuseilen und hinterher wieder in ihre Verankerungen zu bringen, werden sie jährlich samt Verankerung mitgestrichen. Das hat zur Folge, dass sie sich aus ihren Davits nicht mehr lösen lassen. Sie sind festlackiert.

Während also einige Menschen verzweifelt versuchen, die Rettungsboote herabzulassen, suchen andere Passagiere ihr Glück bei den Rettungswesten. Es ist nicht einfach, sie aus den Netzen zu befreien. Doch schließlich schaffen sie es und die Westen fallen zu Boden.
In dem festen Glauben, wenigstens ihre Jüngsten retten zu können, binden die Mütter den Kleinsten hastig die Westen um, heben sie über die Reling und mit einem letzten verzweifelten Gebet lassen sie sie los. Ihre Liebsten durchbrechen die Wasseroberfläche und tauchen nie wieder auf. Der Kork in den Rettungswesten ist alt und brüchig. In diesem Zustand schwimmt er nicht mehr locker auf der Wasseroberfläche, sondern saugt sich rasend schnell mit Wasser voll und zieht den Träger tief auf den Grund des Flusses.

Glück haben diejenigen, die es schaffen, auf eines der der General Slocum hinterereilenden Boote zu springen. Wer im Wasser landet und schwimmen kann, ist noch längst nicht außer Gefahr. George Maurer zum Beispiel, der Namensgeber der Musikkapelle, findet man später mit eingedrücktem Schädel, wahrscheinlich ist er von einem spitzen Schuh getroffen worden. So ergeht es vielen. Und wer es schafft, nicht von herabfallenden Menschen k.o.-geschlagen zu werden, der hat im Wasser zu kämpfen. Von überall her greifen Hände, schlagen Fäuste, drücken Arme diejenigen unter Wasser, die den Anschein machen, als können sie sich über Wasser halten. Denn in der Not denken wir nicht darüber nach, ob wir vielleicht jemanden ertränken, wenn wir ihn unter Wasser drücken. Wir suchen Halt und ergreifen alles, was in unserer Nähe ist.

An diesem Tag verliert das Viertel "Little Germany" über tausend Einwohner. Und es wird weiter schrumpfen. Viele halten es dort nicht mehr aus und ziehen weg. Zu sehr erinnern die Lücken, die das Unglück in die Bevölkerung gerissen hat, an die Menschen, die nie mehr dort durch die Straßen wandeln werden. Für manche ist der Schmerz so groß, dass sie nur noch den Ausweg Suizid sehen.
Und so gibt es heute in New York keinen Stadtteil mehr, der sich "Little Germany" nennt.
Seit ich von diesem Unglück erfahren habe, denke ich, dass die Einwohner es verdienen, dass man sich wieder an sie erinnert.



In "Die Prophezeiung. Das Inferno von Little Germany, New York" habe ich versucht, ihnen ein Stückchen weit wieder Leben einzuhauchen und die Erinnerung an sie und ihr tragisches Ende wachzuhalten. Denn die Erinnerung lässt sie weiterleben. Auch wenn es sich bei der Geschichte größtenteils um erfundene Personen handelt, stehen sie doch beispielhaft für ein Leben aus der Zeit aus dem Viertel.

Meine Informationen hier in dem Bericht und auch viele Darstellungen im Buch habe ich dem Sachbuch "Ship Ablaze" von Edward T. O'Donnell (deutsch: Der Ausflug) entnommen. Ein sehr empfehlenswertes Werk, wenn man sich näher mit dem Unglück auseinandersetzen möchte.